Interview mit Grandmaster Uwe Claussen

Herr Claussen, erzählen Sie uns doch einmal kurz von den Anfängen Ihrer Kampfsport Laufbahn? Wie sind Sie zum Kampfsport gekommen.

1972 entschloss ich mich, Kampfsport zu machen. Es war die „Bruce Lee Zeit“, meine Begeisterung war groß und als dann noch eine gehörige Trachtprügel von zwei älteren Jugendlichen dazu kam (die ihren Mädchen imponieren wollten), war es so weit.
Ich begann Shotokan Karate zu praktizieren. Ich vermute, es war der Mythos der asiatischen Kampfkünste, der dazu führte, dass es Karate war und nicht Ringen, Judo oder Boxen (das war das gesamte Angebot, mehr gab es zu der Zeit nicht in Deutschland).

Welche Stationen Ihrer Karriere sind seit Ihrem Beginn 1972 die, die Sie am meisten beeinflusst haben?

Später, ausgelöst durch Vorbilder, wie Bruce Lee, Chuck Norris, Benny the Jet, etc. wurde aus Shotokan……Leichtkontakt Karate ………und letztlich Kickboxen.
Einige Jahre später kamen Ju-Jutsu und danach Modern Arnis dazu.

In den späten 80zigern, inzwischen schon mit Blackbelts dekoriert und in dem Glauben ich sei ein ganz guter Kampfkünstler, lernte ich Great Grandmaster Richard S. Bustillo (L.A. – USA) kennen, der meine Kampfkunstwelt auf den Kopf stellte und dessen Schüler ich mich seitdem nennen darf.
Er zeigte mir eine völlig neue Kampfkunstwelt und öffnete Türen für mich.
So kam ich letztendlich über das, was GM RSB mir vermitteln konnte ( Boxen, Thaiboxen, Jeet Kune Do, Kali/Eskrima etc.) auch zum Brasilien Jiu-Jitsu (Machardos) und von da aus zu GM Gokor Chivichyan ( aus meiner Sicht, einer der besten Grappling und MMA Trainer weltweit) und zu SGM Ciriaco Cacoy Canete, der lebenden Legende des Doce Pares Eskrima. Parallel dazu gab es aber auch in Deutschland Möglichkeiten. So trainierte ich über einen langen Zeitraum mit einem sehr freundlichen „WT-Mann“ namens Thomas Möller.
Er verbesserte meine sensitiven Fertigkeit erheblich und auch für mein JKD war das eine große Hilfe. Auch heute noch, nutzen wir jede sich uns bietende Gelegenheit für gemeinsames Training.

Ich habe "Kampfsport" gesagt. Sie unterscheiden "Kampfsport" von "Kampfkunst" und außerdem von "Selbstverteidigung".
Warum? Wo liegen für Sie die Unterschiede?

Ja, die Unterschiede sind aus meiner Sicht wirklich frappant und spiegeln sich auch schon in den Wörtern wider.
Kampfsport hat einen hohen sportlichen Charakter ( hohes Maß an Athletik, konditionell anspruchsvoll, etc.). Die Fairness, innerhalb eines „sich sportlichen Messens“, ist hier dominant.
Anders bei der Kampfkunst. Hier spielen, wie das Wort schon zum Ausdruck bringt, z.B. die Kunst der Bewegung, der künstlerische Ausdruck der Darbietung und ähnliche Aspekte eine maßgebliche Rolle.
Ganz anders die Selbstverteidigung; sie unterliegt all diesen Werten, Maßstäben und Regeln überhaupt nicht.
Primär zählt hier: Gut ist, was Wirkung beim Gegner erzielt. Hier geht es nur um die Verteidigung der eigenen – oder anderer Personen ohne Limits und Regeln.
Maßstab ist hier die Effizienz.

Als was sehen Sie sich? Eher als Kampfkünstler oder doch als Spezialist für Selbstverteidigung?

Diese Frage ist nicht ganz so leicht zu beantworten. Da sind einerseits die vielen Jahre die ich mit Kampfsport beziehungsweise auch Kampfkunst verbracht habe, im verschiedenen Systemen gekämpft habe und auch mehrere Systeme unterrichten durfte.
Andererseits gibt es dort meinen Beruf als Polizeibeamter, in dem ich seit vielen Jahren in verantwortlicher Position als Lehrer für Einsatz Training arbeite.
Ich möchte es mal so zusammenfassen - Kampfsport und Kampfkunst sind unheimlich schön, toll und unverzichtbar. Selbstverteidigung ist ein anderes Feld, andere Voraussetzungen, andere Hintergründe, andere Verhaltensweisen! Und dennoch gehört beides bedingt zusammen!
Ich liebe das Eine wie das Andere.

Konnten Sie bedeutende Titel als Kampfsportler erringen?

Ich gehe davon aus, dass diese Frage nicht auf sportliche Erfolge im Sinne von Wettkampf abzielt, denn diese Zeit liegt in der Tat weit zurück.
Natürlich habe ich als junger Mann auch einige kämpferische Erfolge in verschiedenen Systemen erzielt und auch im Schowbereich konnte ich an einigen Wettkämpfen mit einem Team erfolgreich teilnehmen, aber ich denke hier zielt die Frage doch wohl mehr auf meine Graduierung ab.
Dadurch dass ich seit 43 Jahren in vielen verschiedenen Kampfkünsten aktiv tätig bin, kommen schon einige Graduierungen zusammen.
Wobei die Höhe der Graduierung nichts darüber aus sagt wie lieb mir "diese" Kampfkunst ist. Ich habe auch Kampfkünste über sehr lange Zeiträume traniert, in denen es keine Graduierungen gibt, beziehungsweise ich einfach keine Graduierungen gemacht habe.

Erwähnenswert sind sicherlich:

  • 9. Dan Cacoy Doce Pares Eskrima (GM)
  • GM unter GGM Richard S. Bustillo ( Jeet Kune Do, etc.)
  • 7. Dan Ju-Jutsu (GM)
  • Blackbelt unter GM Gokor Chivichyan ( Submission Grappling)
  • Etc.
Benötigen Sie das viele Wissen um Kampfsport und Kampfkunst in Ihrem täglichem Leben?

Diese Frage bedarf einer vielschichtigen Antwort. Da ich mich als Mitarbeiter der Fachhochschule für öffentliche Verwaltung Polizei und Rechtspflege in Güstrow mit polizeilicher Intervention auseinandersetze, speitl das Thema Selbstverteidigung in meinem Leben natürlich ein große Rolle.
Aber auch in meiner Tätigkeit als Trainer für Kampfsport sind fundierte Fähigkeiten und Fertigkeiten rund um die Kampfkunststile natürlich eine elementare Vorraussetzung.
Nicht vergessen möchte ich auch den Willen, sich selbst und seine Familie angemessen verteidigen zu können.
Ja, und wenn es in der Kampfkunst überwiegend um Motorik geht, dalso um Fertigkeiten, welche weit über die Kognition des Themas hinausgehen, darf das zugehörige Wissen als Fundament der Kampfkunst nicht zu kurz kommen.
Insoweit möchte ich die Frage ganz einfach mit einem "JA" beantworten.

Der "Kampf" bestimmt also Ihr Leben? Womit kämpfen Sie täglich am häufigsten?

Diese Frage beantworte ich schlichtweg mit "mit mir selbst" ;-)

Dieses Interview führte Matthias Patzuda (Nov 2015)